Dreierlei Behördengang auf einem Bett aus Ausweisverlängerung, angerichtet mit viel Geduld
Ich sitze im Rathaus. In Ehrenfeld. Es ist 8:45 Uhr, ich bin seit rund 30 Minuten hier. Die Wartehalle ist halb gefüllt, noch muss keiner unfreiwillig stehen. Es ist der dritte Versuch, meinen Personalausweis zu verlängern.
Rückblick: Am 11.11.2012 kam ich erstmals nach Köln. Am 1. Januar startete mein Volontariat. Damals stand mein Premierenbesuch im Rathaus an. Hier in Köln gibt es insgesamt neun Stadtbezirke und demnach auch neun Bezirksrathäuser. Als Stadtbürger hat man die freie Auswahl, in welches man gehen möchte. Bei meiner Erstmeldung in Köln habe ich mich für das nächstgelegene in Lindenthal entschieden. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Ich trat morgens in die große, helle Empfangshalle des recht modernen Rathauses ein, ging zum Infoschalter und zog meine Nummer. Ich glaube, es war eine A064. Frohen Mutes ging ich durch die Tür zur Wartehalle, erblickte eine Armada wartender Personen und vollführte eine Dreiviertel-Drehung nach rechts. Da fiel mein Blick erstmals auf die große Leinwand mit der Präsentation. Abgebildet waren Aufruf- und Schalternummern. Es gab zwei Spalten. Und die Nummern ganz oben gehörten zum 30er-Bereich.
In meiner Wartezeit wiederholte sich immer wieder derselbe Ablauf: Hoffnungsvolle Menschen kamen in die Wartehalle, erblickten die Leinwand mit den Aufrufnummern, warfen einen prüfenden Blick auf ihren Zettel, sahen zurück zur Leinwand. Und dann folgte der Blick der Erkenntnis. Die da war: erstmal zum Bäcker, erstmal ein Buch lesen, erstmal eine Biographie verfassen.
Es war einer der ersten Momente, der mir deutlich klar machte: Du wohnst jetzt in einer Großstadt. Auch aus Kandel war mir die Warterei bei Behörden (na gut, hier gibt’s nur ein Rathaus) nicht unbekannt. Und ich wusste, dass um viertel nach elf ungerne neue Leute reingelassen wurden – schließlich war um 12 Uhr freitags Feierabend. In Köln nahm das jedoch schon eine gewaltig andere Dimension ein. Irgendwann schrieb ich meinen Kollegen, dass ich mich wohl verspäten würde. Wenn ich mich recht erinnere, hat es alles in allem eineinhalb bis zwei Stunden gedauert. Und an dem Tag waren noch dreistellige Nummern vergeben worden.
Wie manche wissen, zog ich drei Monate später innerhalb von Köln um. Was bedeutet das? Genau, ich musste mich ummelden. Dabei wird ein kleiner Zettel auf den Personalausweis geklebt, der die alte Adresse überschreibt. Für diesen Vorgang muss man ins Rathaus. Da meine neue, geliebte Wohnung im Kölner Süden lag, fuhr ich damals nach Rodenkirchen. Wieder zum Amt in nächster Nähe. Diesmal war ich vorbereitet. Ich zog meine Aufrufnummer – Schicksal: es war meine Glückszahl, die vier – setzte mich in den Wartesaal (diesmal mit sehr amtlichem Flair und sehr altem Mobiliar) und holte meinen Kindle raus. Ich war aufs Warten eingestellt. Doch es dauerte keine fünf Minuten, bis mich eine Frau ansprach. „Hey, Sie da, Sie sind dran“, sagte sie. Ich blickte verwundert auf, sah auf meine Nummer, sah auf die Leinwand und stellte fest: Sie hatte Recht, ich wurde schon aufgerufen. Insgesamt hatte das Ganze keine fünfzehn Minuten gedauert. Zack hatte ich meinen aktualisierten Ausweis, alles in Butter.
Ende Juni war es dann soweit. Mein Personalausweis war abgelaufen. Ich musste also zum Amt. Nachdem ich dreimal meine Passfotos im Drogeriemarkt ausgedruckt hatte (einmal Bild nicht korrekt, einmal verlegt), fuhr ich nach Rodenkirchen ins Rathaus. Das war nicht nur lediglich zehn Autominuten entfernt, sondern hier hatte ich ja auch meine Expresserfahrung gemacht. Ich zog wieder eine Nummer im 30er-Bereich und war guter Dinge. Da wusste ich noch nicht, dass aktuell Personalmangel herrschte, worauf ein liebevoll gestalteter DIN A4-Ausdruck hinwies. Ich saß so lange wartend in meinem Stuhl, bis die Zeit auf meinem Parkticket abgelaufen war. Es hatte keinen Sinn. Die Zahlen auf dem TV wollten sich einfach nicht verändern. In der Stunde in der ich da war, bewegten sich keine zehn Nummern voran. Ich gab auf.
Online lässt sich nachschauen, wie die aktuellen Wartezeiten in den Bezirksrathäusern ausfallen. Ich gönnte mir einen Blick und stellte fest, dass Lindenthal mit 30 bis 50 Minuten im oberen Drittel lag. Das sollte mein Ziel sein. Ein paar Tage darauf versuchte ich mein Glück.
Hier füge ich bewusst noch einen Absatz ein. Ihr sollt auch fühlen, wie abrupt sich etwas ändern kann. Ich hatte noch gar keine Nummer gezogen, als die Frau an der Information mich auf die circa zwei Stunden Wartezeit hinwies. Ich hatte weder Geduld, noch Lust, noch Zeit, solange zu warten. Ich gab erneut auf.
Inzwischen war mein Ausweis schon ein paar Tage überfällig. Ich hatte mich aber bereits erkundigt, dass einem nichts Ernstes droht, wenn man ihn nicht unmittelbar fristgerecht verlängert. Ich startete also – diesmal Wochen später – den dritten Anlauf. Und ich will zwar nicht spoilern, aber wie heißt es so schön? Aller Dinge sind drei…
Seit 8:15 Uhr sitze ich also im Rathaus im angesagten Ehrenfeld, berühmt für Künstler und Hipster, Essen und Kultur. Ich bin die A034, gerade ist Nummer 18 an der Reihe. Ich nutze die Situation, schnappe mir also meinen Laptop und verfasse genau diese Zeilen hier. Kurz nach neun geht es Schlag auf Schlag, alle drei Minuten erscheint eine neue A0XX-Nummer. Mir steht der baldige Aufruf bevor. Endlich. Um ja niemanden wegen zu später Einräumaktionen länger als nötig hierzuhalten, packe ich den PC brav wieder in den Rucksack, als die Nummer A032 aufgerufen wird. Und dann tut es noch zwei Mal „Pling“, „Pling“, ehe ich an der Reihe bin. Kurz vor halb zehn, nach circa 80 Minuten verlasse ich das Gebäude. In einigen Wochen darf ich wiederkommen, um den Personalausweis abzuholen. Da ich nicht in Köln geboren bin, muss ich meine Geburtsurkunde vorlegen. Nun. Ich werde mir die Zeit bis dahin mit Suchen vertreiben…
P.S.: Eigentlich hatte ich vor, an einem andern Blogartikel weiterzuschreiben. Es folgt also hoffentlich sehr bald der nächste Text. Wird auch wieder Zeit! Ich würde mich freuen, wenn ihr wieder vorbeischaut.
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