Mein Verhältnis zu Musik ist zwiegespalten. Einerseits löst allein der Anblick von wenigen Zentimeter großen Klanghölzern Angstschweiß bei mir aus. Andererseits lässt mich Musik je nach Situation und Stimmung in tiefgründigen Gedankenkarussellen mitfahren oder wild und glücklich durch die Gegend zappeln. Wie sich das anfühlen kann, lest ihr hier.
Nicht minder belastet ist mein Verhältnis zu Kunst. Nachdem das Takt-Noten-Massaker im Musikkurs vorbei war, war es nur eine Frage der Zeit, bis das Experiment Grundkurs ein Ende hatte. Genauer gesagt dauerte es bis zur ersten Klausur, die ich trotz Lernen der Theorie mit sensationellen vier Punkten absolvierte. Es war so weit: Auf zu neuen Kreativitätsufern. Denkste.
Ich wählte also Musik ab. Die Konsequenz war der Bildende Kunst-Zwangskurs. Vorteil: Der lief nur die 12. Klasse, nach einem Schuljahr war der Spuk vorbei. Nachteil: Nun, es war Bildende Kunst. Unserem Lehrer muss ich zugutehalten, dass er ein sehr freundlicher Mensch ist. Weitere Charakeristika waren seine Glatze und sein Mac. Letzterem habe ich sehr viel zu verdanken. Dazu ein paar Zeilen später mehr.
Hässlicher Tonklumpen digitiert zu… hässlichem, organischem Tonklumpen
Ich erinnere mich noch genau an die erste Stunde im Atelierkeller der Schule. Mehrere Werktische standen im Raum verteilt. Stühle sollten in dieser Stunde überflüssig sein. Und wie ich weiß, war das noch nie ein gutes Zeichen. Keine Stühle bedeutet Referat, Rollenspiel oder innovative Gruppentherapie. Alles Sachen, die mir – zumindest in der Schulzeit – zuwider waren. Wenige Momente später war mein Glück perfekt. Jeder Schüler erhielt einen Stück Ton, eine matschige Substanz, die sich nach Vorstellung des Lehrers nun in eine organische Figur/Masse/was-auch-immer-er-haben-wollte verwandeln sollte. Ich kann nicht mehr sagen, ob es ein oder zwei Stunden meines zeitlich begrenzten Lebens waren, die ich mit dieser mich absolut nicht erfüllenden Tätigkeit zubrachte. Jedenfalls zog sich für mich jede Minute wie der klebrige Klumpen in meinen Händen.
Ist es noch nötig, das Ergebnis zu erwähnen? Völlig objektiv kann ich behaupten: Mein finales Etwas sah genauso bescheiden dämlich aus wie jeder andere Tonhaufen im Raum. Aber was haben wir in der Schule gelernt? Der Lehrer hat immer recht. Und so ist es nur folgerichtig, dass mein Klumpen schlecht bewertet wurde. Und das obwohl er den anderen in abstrakter Schön-/Hässlichkeit in nichts nachstand.
Theorie ist Gold, Praxis ist Blech
Während die Mehrheit des Zwangskurses beharrlich Praxisinhalte forderte – zeichnen, malen, masteln, bauen; wow, so viel tolle Möglichkeiten – war ich wohl die einzige, die sich über die trockene Theorie freute. Ganz gleich, ob mich die Historie oder der behandelte Künstler interessierten, alles war besser als meine nicht vorhandene künstlerische Ader in irgendeiner Form in irgendetwas verewigen zu müssen. An dieser Stelle nehmen wir den Erzählfaden rund um den Mac wieder auf. Mein Lehrer setzte also auf die Technik des abgebissenen Apfels. Und war offenbar so wenig in der Lage, das Gerät zu bedienen, wie ich es wäre. Ungeachtet dieser Tatsache ließ er es sich nicht nehmen, uns regelmäßig Werke unterschiedlicher Künstler auf seinem Laptop zu zeigen. Zumindest hatte er das vor. Während die anderen unablässig praktische Unterrichtsinhalte forderten, genoss ich das technische Debakel in vollen Zügen und wartete, bis der unheilvolle „BK“-Block des Stundenplans sein Ende hatte.
Meine Selbsterfahrungen mit Kunst waren also nicht gerade berauschend. Auch grundsätzlich bin ich nicht der große Kunstfan. Weder kann ich mich stundenlang vor ein modernes Ölgemälde stellen, noch mache ich mir viel Mühe, die Gedanken eines Künstlers zu interpretieren. Doch es gibt eine Ausnahme. Seit ich denken kann, hing bei uns zuhause ein Bild von Maurits Cornelis Escher. Und schon immer faszinierte es mich. Es handelte sich um das Werk „Reptilien“ (bitte an dieser Stelle googlen). Wie bei nahezu allen Bildern des niederländischen Künstlers bleibt mein Blick jedes Mal aufs Neue wieder daran hängen. Zunächst sieht alles normal aus: ob Türme, Planeten oder Stadtansichten. Je länger man hinsieht, desto mehr offenbart sich, dass die dargestellten Situationen im wahrsten Sinne unmöglich sind. Treppen haben kein Ende, aus Fischen werden Vögel, aus Vögeln Felder. Ein Bild zeigt beispielsweise einen Raum aus drei Perspektiven. Die einzelnen Ansichten sind aber derart unaufällig ineinander verzahnt, dass es auf den ersten Blick logisch aussieht.
Faszinierende Täuschungen: die Werke von M.C. Escher
So wenig ich mich aktuell für abstrakte Kunst oder moderne Gemälde interessiere, umso mehr faszinieren mich seit jeher optische Täuschungen und Werke, die mit dem Verstand spielen und die Realität auf die Schippe nehmen. Die Kunst von M.C. Escher könnte ich mir ewig ansehen. Aktuell gibt’s daher einen großen Grund zur Freude für meine Wenigkeit: Das Max Ernst Museum in Brühl, unweit von Köln, zeigt noch bis 22. Mai eine Ausstellung rund um den niederländischen Künstler. Ich habe sie am vergangenen Sonntag besucht und kann sie nur empfehlen. Am liebsten hätte ich alle Werke eingepackt und neben meinem „Reptilien“-Bild platziert…
Eine teils witzige, aber Verwirrung stiftende Parallele zu Escher ist die Struktur der Ausstellungsräume. Selbstverständlich dreidimensional und unglaublich verwinkelt. Stets fragt man sich: Bin ich hier schon gewesen? Wo geht es weiter? Wo ist der Anfang, wo das Ende…
Seid ihr bereit für ein bisschen Kunst? Zur Faszination in einem Klick.
1 Kommentar
[…] diese Situation auch nicht mit viel Lernaufwand zu überwinden war. Doch bevor es für mich zur kreativen Künstler-Tonklumpen-Therapie – auch liebevoll “Bildende Kunst-Zwangskurs” genannt – ging, sollte noch eine […]