Start frei für den Straßenkarneval
Es ist wieder diese eine ganz besondere Zeit im Rheinland angebrochen. Die fünfte Jahreszeit. Karneval. Es ist Weiberfastnacht und die Jecken aus Nah und Fern feiern schon seit früh morgens. Offizieller Startschuss ist um 11:11 Uhr, doch viele stehen schon ab 9 Uhr in den Warteschlangen vor den Kneipen. In meiner pfälzischen Heimat konnte ich dem dort als Fasching bekannten Verkleidungsevent nicht allzu viel abgewinnen, lediglich Bonbons, oder „Guzel“ wie es bei uns heißt, habe ich gesammelt. Seit meinem Umzug nach Köln hat es aber auch mich infiziert, das Jeckenvirus. Hier findet die fünfte Jahreszeit einfach nochmal in einer ganz anderen Dimension statt. Hier tanzt nicht ein kleiner Teil der Stadt – hier herrscht völlige Ekstase. Entweder macht man mit, flüchtet aus Köln oder verlässt das Haus nicht mehr. Und das bis einschließlich Dienstag. Aschermittwoch ist alles wieder vorbei und der Countdown bis zum 11.11. beginnt erneut.
Zu meinen Highlights des Karnevals zählt der Geisterzug am Samstagabend. Vorwiegend Menschen in unheimlichen Kostümierungen – Dämonen, Skelette, Hexen – und trommelnde Musikgruppen säumen dann den Zugweg, der sich jedes Jahr durch einen anderen Stadtteil zieht. Das Besondere daran: Statt wie beim Rosenmontagszug an einer Stelle stehen zu bleiben und den vorbeilaufenden Zug stundenlang zu bestaunen, läuft man beim Geisterzug einfach mit. So kühlt man nicht aus und entdeckt ein bisschen was von anderen Veedeln.
Und dann gibt es noch ein weiteres Must-have für mich: den kleinsten Zug der Stadt. Der findet direkt vor meinem Wohnzimmerfenster statt und läuft durch die Schulze-Delitzsch-Straße in Köln Raderthal. Der Zug macht seinem Namen alle Ehre: Da die Zugstrecke so kurz ist, drehen die Teilnehmer am Ende der Straße und laufen den selben Weg nochmal zurück. Zwischendurch wird kräftig Kamelle aufgefüllt. So staubt man hier gleich zweimal ab. Die Organisatoren des Zugs sind meine Nachbarn. Finanziert wird der Veedelszoch unter anderem durch einen September-Flohmarkt, dessen Erlös in den Zug fliest.
An diesem Donnerstag mische ich mich zwar kurz auch unter die Jecken. Schon nach drei Busstationen habe ich eine Vielzahl an Kostümen gesehen, darunter Clowns, Ärzte, Bayer, Piraten, Giraffen, Ranger, Ritter, Affen, Rehe, Engel, Teufel und Katzen . Sie alle eint die Flasche Kölsch oder Sekt in der Hand. Hier ist die Stadt offenbar kulant – eigentlich ist Alkohol inzwischen in Bus und Bahn verboten. Aber Karneval ist nunmal alles anders. Doch statt zu den Hotspots des Karnevals wie Alter Markt, Heumarkt oder Chlodwigplatz zieht es mich zum Kölner Hauptbahnhof. Raus aus der Stadt. Denn zum Geburtstag meiner Mama reise ich in die Heimat, beziehungsweise diesmal zum Bauernhof meines Opas, wo wir ein paar entspannte Tage im O2-Funkloch verbringen. Nach dieser kleinen Stadtauszeit kehre ich Sonntag nach Köln zurück. Montag geht’s dann – na klar – zum Rosenmontagszug.
Während ich noch im Bus sitze, wertschätze ich es einmal mehr, an einer Endhaltestelle zu wohnen. So ist der Bus anfangs leer, mein Platz sicher und ich muss während der Fahrt nicht im gedrängten Getümmel stehen. Die Stimmung in der Stadt ist ausgelassen, da helfen auch die angenehmen 13 Grad. Vor kurzem habe ich eine WDR Dokumentation zum Kölner Rosenmontagszug und seinen Vorbereitungen gesehen, die ich sehr interessant fand. Die gibt es hier zu sehen. Darin gab es eine Szene, in der der Redakteur den Himmel über Köln als strahlend blau beschrieben hatte. Objektiv betrachtet, war es eher ein gelangweiltes Grau. In Anlehnung an diese Szene: Auch in diesem Jahr strahlt der Himmel blau über der Domstadt und liefert den Jecken beste Feierbedingungen.
Zum Kölner Stadtbild während des Straßenkarnevals zählen unzählige Urinale und Dixi-Klos, schließlich muss das Kölsch auch wieder raus. An den Fenstern der Kneipen steht klar und deutlich, was die Toilettennutzung in ihrer Lokalität kostet.
Am Bahnhof angekommen, ist auch hier die angeheiterte Stimmung zu erleben. Es laufen musikalische Karnevalsklassiker wie „Pirate“, „Kölsche Jung“ und „Wenn et Trömmelche jeht“ und alles ist voller kostümierter Jecken. Karneval steht für Tourismus, für Gäste von Nah und Fern, für die umsatzstärksten Tage von Kneipen, Bars und Kiosken. Und auch bei den Pfandsammlern stehen die folgenden Tage hoch im Kurs.
Bevor ich im Funkloch verschwinde, will ich noch zwei Sachen loswerden. Zum einen Hut ab und großen Respekt an alle Fahrer und Mitarbeiter im öffentlichen Nahverkehr, Sanitäter und Ordner. Sie bringen die Menschen sicher zum Feiern , kümmern sich um sie, wenn der Alkohol die Körperfunktionen beeinträchtigt und helfen, für ein sicheres Karneval zu sorgen.
Inzwischen in der S-Bahn von Karlsruhe Richtung beschauliches Kraichtal ist von Karneval – oder Fasching wie es hier heißt –rein gar nichts mehr zu spüren. Die Bahn ist besetzt mit berufstätigen Pendlern und Schülern. Und nun zur letzten Sache, die ich loswerden will. An alle Feierwütigen in Köln, im Rheinland oder in anderen Ecken des Landes: Macht euch schöne Tage, feiert ausgelassen, aber bitte gebt acht, dass ihr nicht völlig betrunken auf den Gleisen der Bahn ein Schläfchen macht. Rosenmontagszug, wir sehen uns. Dann heißt es auch für mich: Kölle alaaf!
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