Huhn unterwegs: Trip to Amsterdam
Diese Stille. Kein Piepsen im Bus. Und auch keine große Menschentraube vor der vordersten Tür. Sieht aus, als wäre ich wieder zuhause. In Köln. Hier wird still schwarzgefahren.
Am vergangenen Wochenende hatte ich mein erstes Date mit Amsterdam. 2:40 Stunden im ICE und schon erreicht man von Köln kommend die Centraal Station in der niederländischen Hauptstadt. Wer mich kennt weiß, dass ich mich insbesondere an kleinen Dingen herrlich erfreuen kann – und der erste dieser Momente ließ nicht lange auf sich warten. Wir hatten noch nicht mal den Bahnhof verlassen, als wir durch eines der gängigen Tickettore gingen.
An dem wird auf dem Weg zu Bus und Bahn brav ein- und wieder ausgecheckt. In meinem Kopf ploppte sofort die Vorstellung einer Pforte in eine andere Welt auf. Einmal eintreten in das Universum der Aliens. Oder wenn ich jetzt darüber nachdenke, erinnern mich die Durchgänge an die Weltentore aus dem Videospiel Oblivion.
Und ich trat tatsächlich in eine andere Welt ein: ins Schlaraffenland. Das erste Anzeichen dafür erblicke ich keine fünf Minuten nach dem Betreten des Portals, als meine Augen auf dem Schriftzug der „Chocolate Company“ landen. Doch noch gucke ich nur, genascht wird später.
Kaum aus dem Bahnhof raus, sehe ich einen Zug. Aber nicht irgendeinen. Es ist ein Pikachu-Zug. Er trägt exakt dieselben Farben wie die „Pikachu“-Edition des Nintendo 64. Seht selbst, auf der interaktiven Karte könnt ihr’s vergleichen (zunächst auf das Zug-Symbol klicken, danach unten auf „2 Fotos“).
Während der Reise hatte ich mir selbst unter Beglaubigung meiner Begleitung Reisepunkte verliehen.
[Huhn-Exkurs: Früher war ich fast ausschließlich ein Stubenhocker, der sich selten von A nach B, geschweige denn von Land X nach Land Y bewegt hat. Es hat mich nie in die Ferne gezogen. Inzwischen wohne ich immerhin schon ein paar Jahre in einer nicht allzu kleinen deutschen Großstadt und entdecke die Liebe zu Städtereisen.]
Meinen ersten Reisepunkt verdiene ich mir mit dem Auffinden der Verkaufsstation für die Tramkarten. In den Niederlanden wird grundsätzlich nicht schwarzgefahren. Hier tragen alle magische Pappkärtchen mit sich herum, denen die Macht innewohnt, an Kontrollstationen an !sämtlichen! Bus- und Tramtüren ein wahnsinnig angenehmes Piepsen hervorzurufen. Dieses monotone Geräusch fällt den Einwohnern selbst (hoffentlich) nicht mehr auf und sie haben sich daran gewöhnt wie an das Ticken einer Uhr. Denn dieser Ton erschallt jedes Mal, sobald ein Fahrgast ein- oder aussteigt. Also an der Centraal Station gut und gerne 20 Mal hintereinander…
Zunächst ging‘s ins Hotel. Diesen unspannenden Reiseabschnitt erwähne ich nur, da wir dazu mit der Buslinie 22 fuhren. Na, wisst ihr schon was kommt? Genau: Die Quersumme von 22 ist vier. Glückszahl olé!
Nach dem Einchecken fahren wir zurück in die Stadt. Mein Kumpel und ich lassen uns gerne spontan treiben, ohne vorher große Pläne zu schmieden. Also steigen wir an einer beliebigen Station aus und wandern erst einmal durch die Vorstadt. Die war wie ausgestorben und ließ die niederländische Metropole in einer gewissen Geisteratmosphäre erscheinen. Einen hässlichen Park, einen schönen Park, zwei Sportler und zwei Hunde später kommen wir der Innenstadt näher. Wird auch langsam Zeit, denn es herrschte – aus Sicht einer Pfälzerin – frisches Klima.
Süß, süßer, Amsterdam
Wir kehren im Osteria Assagio ein (siehe Karte). Wie viele Häuser in Amsterdam ist der charmante Laden auf mehrere Ebenen aufgeteilt. Es gibt leckere Panini und allerlei süßes Minigebäck. Das Geschäft lebt die Multikulturalität: Ein Italiener in der niederländischen Hauptstadt, der neben dem Restaurantbetrieb Waren aus aller Welt in Regalen eines schwedischen Möbelhauses verkauft. In einem solchen Möbelstück erblicke ich zum ersten Mal eins der riesigen Nutella-Gläser, die – wie ich noch lernen sollte – ganz Amsterdam schmücken (sogar Nutella-Hocker gibt es hier!).
Aufgewärmt und gestärkt dauert es keine fünf Minuten, bis mein Blick sehnsüchtig an einer Fensterscheibe hängen bleibt. Seht selbst.
Einen Muffin und ein „Appeltart“ später geht’s weiter durch die romantischen Straßen von Amsterdam. So viele schöne Häuser! Besonderen Gefallen finde ich an den Hauseingängen: eine Treppe hoch, eine Treppe runter. Im Nachhinein lerne ich, dass das daher kommt, dass viele Amsterdamer früher Geschäfte im Souterrain führten. Einmal konnte ich nicht widerstehen und steige die schmalen, steilen Stufen hinab – was sollte ich auch tun? Es stand „Lama Lama“ auf der Tür. Es stellte sich als Designagentur heraus. Als ein fleißiger Mitarbeiter mich erblickt – die ich wohl wie eine Zoobesucherin aussah – und zur Tür kommen möchte, laufe ich schnell davon…
Als zu den kühlen Temperaturen noch Regen hinzukommt, wird es Zeit für die nächste heiße Schokolade. Diesmal gibt’s die im Caffè il momento (siehe Karte). Sehr empfehlenswerter Laden, allein schon wegen des Besitzers, der eine ganz besonders schöne Klangfarbe im Englischen hat.
Lustig, quirlig, freundlich und dynamisch – so charakterisiert mein Kumpel Amsterdam. Und meint, damit hätten die Stadt und ich viel gemeinsam. Gerne stimme ich diesem Kompliment zu. Nun bis auf den letzten Punkt: Ich bin auf jeden Fall statisch. Ganz sicher. Wir trotzen dem Regen noch für einen Trip ins Rotlichtviertel (mein erster Besuch überhaupt in solch einer Straße des Amüsements, auf der die mehr oder minder adretten Damen sich mehr oder minder stilvoll in Schaufenstern präsentieren. Definitiv einen Anblick wert – je nach Angebot mehr oder weniger), bevor es uns zurück ins Hotel zieht. Für heute haben wir genug Wasser pro Quadratzentimeter Kleidung gesammelt.
Neuer Traum auf der Wunschliste: Leben auf einem Hausboot
Beim Frühstück am nächsten Morgen geben wir uns direkt als Deutsche zu erkennen: Auf der Zimmerliste haben wir bereits unterschrieben, noch bevor die Angestellte uns danach fragt. Wieder in der Stadt geht’s an diesem zweiten Tag im Touri-Modus voran. Hop-on-Hop-off-Bus- und Bootstouren stehen an. Bei herrlichem Sonnenschein und fast zehn Grad mehr als am Tag zuvor macht dies gleich doppelt so viel Freude. Auf dem Weg zum Boot verdiene ich mir den zweiten Reisepunkt. Statt mit gefühlt 300 Touristen an der Centraal Station auf das nächste Wassergefährt zu warten, schlage ich vor, mit der Metro (pieps pieps) zur nächsten Anlegestelle zu fahren. Und siehe da: Dort ist weit weniger los. Anschließend verliebe ich mich: ungefähr 444 Mal. In Hausboote. Ich weiß nicht, was das in mir auslöst, aber Leben auf einem Boot? Zocken, Lesen, Essen – all das in einem Boot? Klingt himmlisch! Die Finanzierung dieses Tagtraums ist leider noch nicht letztlich geklärt…
Gegen 17:45 Uhr erwischen wir einen der letzten Stadtfahrt-Busse des Tages. Wieso? Nun, wir wurden aufgehalten. Hier lasse ich einmal die Bilder sprechen.
Bevor mich mein Magen erneut zur Nahrungsaufnahme auffordert, wandern wir noch zum Restaurant Sea Palace, das mit seiner optischen Erscheinung beeindruckt: eine Art schwimmende, prachtvolle Pagode mitten auf dem Wasser. Im Dunkeln erleuchtet sieht sie noch schöner aus als am Tag – das belohnt mein Kumpel mit dem dritten Reisepunkt. Denn morgens war ich noch zu faul gewesen, dort hinzulaufen… Pagode im abendlichen Panorama: check!
Phänomen der unsichtbaren Gäste
Abends zieht es uns ins Restaurant Waterkant (siehe Karte), das uns bei der Grachtenfahrt aufgefallen war. Der Laden ist prall gefüllt, doch wir haben Glück und es wird zeitig ein Tisch frei. Wir machen Anstalten, uns zu setzen, als der Kellner auf uns zustürmt: „May I help you?“ Er weist uns freundlich auf die Existenz einer Warteliste hin. Wir lassen uns darauf vermerken und gesellen uns an die Bar. Es offenbarte sich das Phänomen der unsichtbaren Gäste. Eine Viertelstunde später saß immer noch niemand an dem Tisch, zwischenzeitlich war sogar ein zweiter frei geworden. Keine wartenden Gäste in Sicht. Einige Minuten darauf dürfen wir uns setzen – von wartenden Personen vor uns nach wie vor keine Spur. Wir dachten, es liegt vielleicht daran, weil wir uns vermeintlich unhöflich erlaubten, uns an einen offensichtlich freien Tisch zu setzen. Vielleicht war das zu frech deutsch?
Im Verlauf des Abends lernen wir aber, dass dieses Spielchen offenbar nichts mit der Nationalität zu tun hat. Bei allen Gästen der gleiche Vorgang: sitzen – sechs – aufstehen, warten, setzen. Wir erfreuen uns zunehmend an der Showeinlage. Noch mehr genießt den Abend nur noch mein Gaumen: Das Essen wurde rasch serviert und war vorzüglich. Leider könnt ihr das Foto nur ansehen und nicht kosten…
Den schmackhaften Burger später schlendern wir im überfütterten Schneckentempo Richtung Zentrum und genießen das Flair der Hafenstadt. Am nächsten Morgen geht’s zurück zum Hauptbahnhof (pieps pieps) und zurück in die Domstadt. Daheim erreicht mich folgende News: In Amsterdam hat das erste Hotel für Gamer eröffnet. Sieht aus, als sähe mich die Stadt also bald wieder.
P.S.: Der Bus zum Hotel führte uns täglich an der Haltestelle Haarlemmerplein vorbei. Hat irgendjemand von euch bei diesem Wort Assoziationen? Ich jedenfalls hab’s geistig sofort in Bad Hair Day übersetzt.
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