Es ist 18.40 Uhr und ich stehe in einer Warteschlange vor dem Kölner Tanzbrunnen, einer Eventlocation auf der rechten Rheinseite, in unmittelbarer Nähe zum RTL-Gebäude. Inzwischen reicht die fein aufgestellte Menschenmasse bis auf die Straße – alle stehen vorbildlich auf dem Bürgersteig. Das letzte Mal als ich hier an dieser Stelle stand, war ich voller Vorfreude auf die dritte Gamescom-Dosenbeatz-Ausgabe. Damals legte ich jegliche Zurückhaltung ab, um jeden Fan der Rocket Beans für meine Fotosammlung mit Community-Bildern abzulichten.
Es gibt viele Menschen, die anderen Menschen dabei zuhören möchten, wie sie in ein Mikrofon sprechen. Ich bin gespannt wie es mir gefällt. Zuletzt stand ich hier bei #dosenbeatz in der Schlange und hab Fotos von #rbtv Fans gesammelt 🙂 #pufolive @Pommes_Ruppel pic.twitter.com/cmRYMS30Yw— Katha H (@katehuhn) 10. Dezember 2018
An diesem Montag im Dezember steht ein Auftritt des, nach eigenem ironischen Ermessen „irrwitzigen“ Duos Podcast Ufo auf dem Plan, bestehend aus Florentin Will – inzwischen auch fester freier Mitarbeiter bei Rocket Beans TV und zum Beispiel zuständig für die Morning-Show am Freitag – und Stefan Titze. Beide waren auch schon an Produktionen für das Neo Magazine Royale von Jan Böhmermann beteiligt. Seit mehr als drei Jahren (die offizielle Website gibt leider nichts Näheres her, treue Fans mögen mich bitte korrigieren) führen die beiden einen regelmäßigen Podcast. Für die Älteren unter uns: Das ist nichts anderes als ein Plausch unter Freunden, der aufgezeichnet wird. Anschließend gibt es die Aufzeichnung zum Beispiel bei Streaming-Diensten wie Spotify und Apps wie Podcast Addict. Ob im Zug, nebenbei auf der Arbeit oder zum Entspannen zuhause – Podcast hören ist heutzutage ein beliebtes Hobby. Auch ich habe mich langsam reingehört und habe zuletzt bei Autofahrten in die Heimat zum Beispiel dem Gespräch zwischen Rocket Beans-Moderator Etienne Gardé und seiner Mutter gelauscht.
Sehr erfolgreiche Podcaster (oder die mit guten Connections zu Vergünstigungen für Eventlocations) treten heutzutage live vor Publikum auf. Wie das aussieht, wollte ich nun einmal wissen und besuche mit Freunden die Live-Aufzeichnung des Podcast Ufo in Köln. Das Event ist restlos ausverkauft. Das heißt, mit mir stehen 999 weitere Interessenten in der Warteschlange. Darunter auch viele Rocket Beans-Fans, was mir bei jeder Merchandising-Cap und bei jedem Shirt ein Lächeln ins Gesicht zaubert.
Drinnen verschlägt es mir zugegeben ein wenig die Sprache, ich war schließlich ohne jegliche Vorstellung gekommen. Der ganze Saal ist komplett bestuhlt und füllt sich zunehmend bis auf den letzten Platz. Es ist eine Sache, bei Spotify einen Podcast zu finden und auf Play zu drücken. Es ist aber eine andere, weite Strecken zurückzulegen, um die Podcaster live zu beobachten, wie sie in ihre Mikrofone sprechen. Die Tour hört übrigens auf den Namen „Gibt’s später noch umsonst als Podcast“ und genauso ist es: Jeder kann das Gesagte später einmal bequem nachhören.
Das Bühnen-Equipment ist überschaubar: zwei Barhocker, ein simpler Tisch, ein paar Flaschen Wasser. Und Handtücher, die zwar nicht zum Einsatz kommen. Aber sie wurden schön gestapelt. Zudem haben sich Florentin und Stefan um die Weihnachtsdekoration gekümmert, die sie stolz ankündigen. Wann immer das Wort „Weihnachten“ fällt, erstrahlt der Saal in goldenem Licht – mal mit mehr oder weniger Zeitverzögerung. Es gleicht dem Online-Zocken mit mäßiger Internetleitung.
Es folgen fast zwei Stunden Plauderei über alles und jenes. Ein Skript gibt es nicht, alles passiert – so wirkt es – spontan. Die beiden spinnen den Beginn eines neuen Fantasyepos inklusive neuer Sportarten, die in ihrem Gedanken-Potpurri einmal so berühmt werden könnten wie Quidditch von Joanne K. Rowling. Das Duo erklärt, wieso die Antarktis oftmals ein schlechtes Reiseziel ist. Dass Beilagen das bessere Essen sind. Rouladen mit Fäden in Restaurants eine Frechheit sind. Und Florentin erläutert, wieso Witwer der beste Beziehungszustand ist. Niemand hat Mitleid mit einem, man wird nicht verkuppelt und kann ungestört single sein. Alle paar Stories streuen sie wieder einen Weihnachtsbezug ein, um die Lichttechniker wieder zum Gag mit der Weihnachtsbeleuchtung zu ermuntern. Tendenz der Reaktionsgeschwindigkeit: steigend.
Die Stimmung ist durchweg gut. Wie die beiden betonen, ist es nicht ihr Job, ein typisches Comedy-Programm abzuliefern. Sie quatschen beschwingt auf, es entsteht ein lockeres Gespräch unter Freunden inklusive kleinen Interaktionen und Diskussionen mit dem Publikum. Für mich war es die die erste Podcast-Folge der beiden, da ich tatsächlich völlig unvoreingenommen und unerfahren in den Abend gegangen bin. Und ich hatte meinen Spaß. Und jetzt habe ich einen neuen Berufswunsch. Etwas plaudern und Menschen erreichen, die mir gerne dabei zuhören und sogar 26,40 Euro für ein Ticket meines Live-Plauderns bezahlen.
Übrigens. Meiner persönlichen Einschätzung nach waren 65 Prozent des Publikums Männer. Die den Abend vorbildlich still genossen haben. Und da heißt es, Männer könnten nicht zuhören.
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